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Datum: 05.05.2023

Bericht zum Abend mit Wolf Biermann - "Mensch Gott!"

Am Montag, den 24. April, war Wolf Biermann zusammen mit Andreas Öhler zu Gast beim Deutsch-Israelischen Freundeskreis - sprach und sang über sein Verhältnis zu Israel. Die Veranstaltung war ausverkauft und rund 300 Besucher fanden sich im Saal des Jubez Karlsruhe ein. Wir danken dem Jubez wie auch der Literarischen Gesellschaft für die Unterstützung und die gute Zusammenarbeit.  


Wolf Biermann live 1

Ich wollte nie Dichter werden!
Ich wollte die Welt retten!
Ich wollte den Kommunismus aufbauen! 

Mit bemerkenswerter Offenheit berichtet Wolf Biermann von seiner Zeit in der DDR und nach seiner Ausbürgerung in der Bundesrepublik Deutschland.
Was wird bloß aus meinen Träumen in diesem zerrissenen Land?
Was wird bloß aus meinen Freunden in diesem zerrissenen Land?
Was wird bloß aus mir in diesem zerrissenen Land?
Viele Fragen – keine Antwort!
Ich möchte am liebsten weg sein – und bleibe am liebsten hier.

Wolf Biermann war in seinem Element. Er präsentierte ein Feuerwerk aus Gedichten, aus Liedern, aus Melodien und tatsächlichen oder selbst erfundenen Zitaten von mehr    oder weniger klugen Leuten.
Aber: Auch besonders kluge Leute könnten sich irren. Und wenn, dann irren sich besonders kluge Leute „besonders schlimm“, wie schon Johann Wolfgang von Goethe bemerkte. – Machen Sie das Licht an! Ich möchte ihre Gesichter sehen und kontrollieren, ich möchte nicht in ein dunkles Loch schauen!
Die Anweisungen an die Regie und den Moderator waren eindeutig.

Ich komme aus einer Judenfamilie, wobei ich aber kein Jude war. Mein Vater war Jude. Ich habe aber den Widerspruchsgeist geerbt, den Widerspruchsgeist der Berliner Juden, den Daffke, wie die Berliner sagen. Ich war 1991 zum ersten Mal in Israel. Ich traf Menschen, die es in Deutschland gar nicht mehr gab. Es gab Juden, die herumliefen, Kommunisten, Stalinisten. Wolf Biermanns ganze Familie wurde ermordet. 20 Personen, die mit der Reichsbahn nach Minsk transportiert wurden und dann „in die Grube geschossen“. Ich bin jedes Jahr in Israel und habe dort mehr Freunde als in Deutschland.

Er berichtete von seiner Freundschaft mit Arno Lustiger, den Erzählungen seines Vaters aus dem spanischen Bürgerkrieg, der Sabotage gegen Waffenlieferungen für Generallissimo Franco in Hamburg. Ein vielleicht vermeintliches Durcheinander der Erzählungen, der Themen und Gefühle. Die Stimme von Tiefen, manchmal lediglich ein unverständliches Gegrummel, bis zu klaren, hohen und höchsten Tönen und spitzen Schreien.

Wolf Biermann live 2

Ich rede zu viel und singe zu wenig, bekannte der über 80jährige. Ich kann reden und ich kann singen, aber die Schnauze halten kann ich nicht! Und ich lüge nicht – mit Lügen, sondern ich lüge mit der Wahrheit!

12 Jahre lang lebte Wolf Biermann in der DDR: Kein Ei kann sich das Nest aussuchen, in dem es ausgebrütet wird.
Und danach ermunterte ihn das Leben in Paris. Heinrich Heine und der Friedhof von Montmartre, sein Lied von der Loreley, die Bruchstelle von der Romantik zur Nicht-mehr-Romantik faszinierten ihn. Das Gedicht Rheinfahrt bringt alles zum Ausdruck und der Dialog zwischen ihm und der Marmorstatue Heines. Und: Allons enfants de la patrie, le jour de gloire est – passé!

Wolf Biermann blickt noch einmal zurück: Als ich 1976 von Deutschland nach Deutschland kam, kam ich ins Exil. Alle sprachen deutsch – und verstanden sich nicht. Und er  blickte auf die aktuellen Probleme: Jeder Liebeskummer ist für den Betroffenen schlimm, schlimmer als der Ukraine-Krieg. Gerechter oder ungerechter Krieg? – Die Tränen der Mütter auf beiden Seiten sind salzig! Und mehr: Bombenterror ist schlimm. Weil ich aber unter dem gelben Stern geboren bin, kamen mir damals die englischen Bomben vor wie Geschenke.

Wolf Biermann glaubt nicht an Gott, wie er betont. Er glaubt – verrückt wie er nun einmal sei – an die Menschen. Glaube was Du willst. Was dein Glaube wert ist, werde ich an  deinem Verhalten erkennen.“

Und die Aufforderung, die Aufmunterung folgte am Schluss, gesprochen und gesungen:

Du, lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit. Der bekannte „Schlager“ des Liedermachers und Sängers Wolf Biermann. Denn: Die finsteren Zeiten gehen vorüber. Doch wie lange wird das Elend dauern? – Es wird ewig dauern – aber nicht länger.

Wolf Biermann beim Deutsch-Israelischen Freundeskreis: Ein Erlebnis der besonderen Art.

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