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Datum: 23.09.2025

Landkreis Karlsruhe und Sha'ar HaNegev - eine deutsch-israelische Partnerschaft: Buchvorstellung am 16. September 2025

Landrat © DIFK

Landrat Dr. Christoph Schnaudigel begrüßte die zahlreich erschienen Gäste, die anwesend waren oder digital zugeschaltet haben. Sein besonderer Gruß galt dem Vorstand des Deutsch-Israelischen Freundeskreises, der ehem. Geschäftsführerin Jenny Herb, dem Kreisarchivar Bernd Breitkopf, dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Karlsruhe, Dr. David Vinitz, allen Autoren des Buches insb. der aus Beerscheba zugeschalteten Antje Naujoks.

Der Initiator der Partnerschaft des Landkreises Karlsruhe mit der Region Sha‘ar HaNegev, Eliahu Segal, hat seine Erinnerungen und die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben. Seine Vorfahren seien aus Deutschland nach Brasilien ausgewandert und dann nach Israel „zurückgekehrt“.

Die Lebensgeschichte von Eliahu Segal beschreibe die reiche jüdische Kultur vor dem 2. Weltkrieg in Deutschland, die Einwanderung nach Israel und die Partnerschaft mit dem Landkreis und insb. auch den Jugendaustauch. Die Lebensgeschichte von Eliahu Segal zeige aber auch die besondere Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht Israels.

Nach dem 7. Oktober konnte das Buch nicht mehr wie vorgesehen erscheinen. Einige Kapitel wurden umgeschrieben, einige ergänzt. Belassen wurde das Vorwort des ermordeten Bürgermeisters der Region Sha‘ar HaNegev, Ofir Libstein, und die hoffnungsvolle, positive Beschreibung der Region, der Kibbuzim von Sha‘ar HaNegev.

Christoph Schnaudigel sei vor zwei Wochen in Israel und in der Partnerregion gewesen. Die Zeit sei aktuell eine sehr emotionale Zeit: Es fänden sehr viele Beerdigungen auch von ermordeten Geiseln statt. Und die Politik der Regierung von Benjamin Netanjahu, die Entscheidungen, die in Jerusalem und in Tel Aviv getroffen würden, gäben Anlass für viel Kritik. Und die Einwohner der Partnerregion gehörten zu den größten Kritikern. Und die Erinnerungen von Eliahu Segal seien wichtiger denn je. Sie forderten auf, Verständnis für „die andere Seite“ zu zeigen und Brücken zu bauen.

B.Breitkopf © DIFK

Bernd Breitkopf: Die interessanteste Arbeit seit Jahrzehnten

Autor und Kreisarchivar Bernd Breitkopf betonte, dass die Arbeit mit dem vorliegenden Buch die interessanteste gewesen sei, die er jemals durchgeführt habe, und er sei schließlich schon über 30 Jahre in Diensten des Landkreises unterwegs.

Er verwies auf die Kapitel über „besondere Events“ im Rahmen der Partnerschaft mit der Region Sha‘ar HaNegev und auf die Tätigkeit des Deutsch-Israelischen Freundeskreises.

Im September 2023 sei das Manuskript druckreif fertig geworden. Einige Monate zuvor, am 18. Februar 2022, konnten in Berlin Stolpersteine für Familienmitglieder von Eliahu Segal verlegt werden - und dann kam der 7. Oktober.

Bernd Breitkopf bedankte sich bei allen Autoren, insb. bei Antje Naujoks, aber auch beim Verlag Regionalkultur für die professionelle Arbeit. Er hatte einen Film mitgebracht vom ersten Besuch von Landrat Dr. Bernhard Ditteney in Sha‘ar HaNegev im Jahr 1992.

Die Anregung von Eliahu Segal zu einer Partnerschaft sei vom damaligen Botschaftsrat Gerhard Holler aus Bruchsal aufgegriffen worden. Da der damalige Karlsruher Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerhard Sailer kein Interesse zeigte, sprach er mit Landrat Dr. Bernhard Ditteney – und die Partnerschaft war geboren.

B.Morlock © DIFK

Bernd Morlock: Antisemitismus von rechts und von links

Bernd Morlock, erster Vorsitzender des Deutsch-Israelischen Freundeskreises bedankte sich bei Landrat Dr. Schnaudigel und Bernd Breitkopf sowie der Ko-Autorin Antje C. Naujoks.

Er bedauerte zunächst eine neue Welle des Judenhasses, die in der kritischen Haltung gegenüber der israelischen Regierung und deren Aktionen begründet sei. Die Regierung Israels stehe am Pranger.

Trotzdem habe sich – auch schon vor dem 7. Oktober und vor dem Angriff auf Gaza – ein stabiler Antisemitismus von links und rechts entwickelt, befördert durch die Medien, deren Berichterstattung in der Regel einseitig sei.

Gerade unter diesen erschwerten Bedingungen könne man stolz auf die Partnerschaft und die guten Beziehungen und die Arbeit des Deutsch-Israelischen Freundeskreises sein. Er rechnete hoch, dass innerhalb von 30 Jahren bei 10 Veranstaltungen im Jahr ca. 30.000 Personen als Gäste zu verzeichnen seien.

Er erinnerte an prominente Referenten wie Tom Segev, Martin Bormann jun. und Michel Wolffsohn, an Avi Primor, Johannes Gerster und Günther Freisleben, auch an Israelkritische Redner wie Muriel Asseburg und Ahmad Mansour, an Michel Friedmann, Abdallah Frangi, Muhterem Aras, Gregor Gysi und Armin Laschet aus der „großen Politik“.

Hervorragende Korrespondenten und Journalisten konnte der Deutsch-Israelische Freundeskreis bei Veranstaltungen begrüßen: Christoph Reuter, Gisela Dachs und Gerhard Konzelmann. Auch drei Pröbste der Erlöserkirche in Jerusalem waren zu Gast, beim Evang. Kirchentag meldete sich der Freundeskreis eindringlich zu Wort.

Die Künstlerriege wurde von Pavel Fiber, der Band Field Commander C und Wolf Biermann vertreten. Und immer wieder kamen persönlich Betroffene auch aus Sha‘ar HaNegev zu Wort, z.B. Ruth Eitan und Batya Holin mit einer Fotoausstellung im Rathaus im Februar.

Die Veranstaltungen bis zum Jahresende und die Planungen für das nächste Jahr könnten der Homepage entnommen werden. Und im nächsten Frühjahr sei die vierte Studienreise nach Israel geplant.

Antje Naujoks: Seit dem 7. Oktober ist alles anders!

Antje Naujoks war aus Israel, aus dem „Tor zum Negev“, der Stadt Beersheba zugeschaltet. Sie dankte zunächst den Vorrednern und auch für die Möglichkeit, heute Abend über die aktuelle Situation in Israel sprechen zu können.

Seit dem 7. Oktober sei alles anders. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten der Staat Israel, die Regierung, die Armee, die Sicherheit der Einwohnerinnen und Einwohner garantieren: Israel war ein sicherer Hafen für alle Juden. Und dann das Massaker! Auf israelischem Boden!

Die Menschen standen und stehen vor Herausforderungen, die sie bisher nicht kannten: Anhaltende Kampfhandlungen, die Geiseln, Umsiedlungen, Flüchtlinge, die israelische Gesellschaft sei eine „Gesellschaft im Schock“.

Das Buch, zu dem sie einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, stelle die Menschen vor, die direkt betroffen seien. Und die Veränderungen und Ergänzungen, die nach dem 7. Oktober erforderlich waren, seien sehr gelungen.

Antja Naujoks berichtete weiter von einem Angriff mit einer ballistischen Rakete aus dem Jemen vor zwei Stunden.

Aktuell würden noch drei Geiseln aus Sha‘ar HaNegev von der Hamas festgehalten. Ihr Leben hinge an einem seidenen Faden. Und auch wenn sie frei kämen, sei eine Rückkehr zur Normalität nicht denkbar.

Es täte sehr gut, dass der Landkreis Karlsruhe ehern an der Seite von Sha‘ar HaNegev stehen würde. Sie dankte dem Kreistag und insb. Landrat Dr. Schnaudigel.

67% aller Israeli seien trotz allem zuversichtlich und waren der Meinung, dass Israel gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen würde.

Bürgermeister Ori Epstein: An der Partnerschaft festhalten

Dankesworte formulierte auch Ori Epstein, der neu gewählte Bürgermeister der Region, in einem Grußwort. Er folgte auf den ermordeten Ofir Libstein und möchte an der Partnerschaft festhalten. Er bedankte sich für die vielfältigen Hilfen des Landkreises Karlsruhe und die Spenden für die traumatisierten Kinder und Jugendlichen. Er freue sich auf die Veröffentlichung und wünschte allen Leserinnen und Lesern eine schöne „Reise durch das Buch“.

Stimmen aus Sha’ar HaNegev: Wir Leben zu 95% im Paradies und zu 5% in der Hölle

Drei Gäste aus der Region Shaar HaNegev waren bei der „Buchvorstellung besonderer Art“ zugeschaltet: Judith Tzamir, die bei einer Hochzeit war und kurz auf den Parkplatz ging, um sprechen zu können, Chris Ard, begleitet von ihrem Ehemann, und Ralph Lewinsohn.

Der ermordete Ofir Lipstein hatte einmal gesagt: Das Leben in Kfar Aza, einem zur Region gehörenden Kibbuz, sei zu 95% das Paradies und zu 5% die Hölle. Und die Zugeschalteten fühlten sich in Sha‘ar HaNegev wie im Paradies, bis zum 7. Oktober. Es gab zwar immer wieder sporadisch Raketenangriffe, und man suchte Schutzräume auf. Aber dann ging das Leben normal weiter. Judith hat 17 Enkel, und sie käme gar nicht dazu, Angst zu haben.

Sehr schlimm seien für ihn die „Luftballons“ gewesen, berichtete der Ehemann von Chris Art, ein Landwirt. Sie brachten brennbare Flüssigkeiten mit, und die Ernte wurde vollständig vernichtet.

Vor dem 7. Oktober hätten die Bewohner der Region alle ein angenehmes Leben gehabt, mit vielen Freunden, ohne schwerwiegende Probleme, ohne Kriminalität. Nun warten viele schon eineinhalb Jahre auf die Rückkehr in ihren Kibbuz.

Ältere wollen gar nicht mehr zurück. Sie wollen nicht noch einmal von vorne anfangen und hätten sich in Altersheimen angemeldet.

Allerdings hoffen gerade die Einwohnerinnen und Einwohner von Kfar Aza auf den Wiederaufbau und auf neue Bürgerinnen und Bürger.

Chris Ard berichtete, dass der Kibbuz, indem sie lebte, verteidigt werden konnte. Das Tor war geschlossen, und es gelang den Hamas-Kämpfern nicht, in das Kibbuz einzudringen. Die Kämpfe am Tor forderten allerdings zwei Tote.

Die Bewohnerinnen und Bewohner waren ebenfalls evakuiert, kamen aber im März 2024 wieder zurück, und mit ihnen viele neue. Die Gemeinde sei wieder intakt.

Israel steht weltweit am Pranger: Kommt nach Israel und macht euch selbst ein Bild!

Es sei sehr wichtig, waren sich alle nach der Frage von Bernd Morlock einig, was der  Deutsch-Israelische Freundeskreis tun könne, sich zu Wort zu melden: „Jede Stimme aus Deutschland, aus dem Ausland, die beide Seiten realistisch darstellt und die Probleme aufzeigt, ist hilfreich.“ – „Bitte stellt die Situation des demokratischen Staates Israel und seiner Bevölkerung realistisch und deutlich dar. Wir müssen gegen Desinformation kämpfen – und wir werden unsere Freundschaft erhalten und weiter pflegen!“.

Und eine zweite Anregung bzw. Aufforderung ging an die Zuhörer: „Kommt nach Israel und macht Euch selbst ein Bild!“

Israel werde immer nach westlichen, westeuropäischen Kriterien beurteilt, die arabische Gegenseite aber nicht. Israel werde immer im Nachteil sein. Und wenn die Presse aus Deutschland oder Europa berichte, werde immer nur spot-artig etwas Schreckliches gezeigt – ohne die Hintergründe und das Umfeld und die Ursachen aufzuzeigen.

Jeder, der aus Europa kommt, könne sich in Israel sicher fühlen. Vor den Raketen aus dem Jemen brauche man keine Angst zu haben.

Weitere Veranstaltungen

Die nächsten Veranstaltungen werden am 28. Oktober mit dem Journalisten Christoph Reuter, am 12. November unter dem Thema „Judentum durch die Küchentür – der jüdische Festkreis“ bei der israelitischen Gemeinde und am 2. Dezember mit Antje Naujoks stattfinden.

Für das kommende Jahr hat bereits Petra Pau, ehem. Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, zugesagt.

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